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Artikel aus dem Katalog zur Ausstellung DAS INNERE LICHT, 2002
Naturhistorisches Museum Wien
ISBN 3-900275-89-0

Der Maler Sergej Popolsin

Talent, Schicksal, Charakter - die Summanden des Lebens, von denen jeder Einzelne in einem bestimmten Lebensabschnitt eine bestimmende Rolle erfüllt. Dramatische Wendungen des Schicksals, Leid und Freude, Fehler und Siege – endlosen Prüfungen wird der Künstler Sergej Popolsin unterzogen. Mit allem fertig zu werden hilft ihm sein Charakter.
Das Talent leitet ihn, läßt ihn nicht abweichen vom Wichtigen, von dem, was den Sinn seines Lebens ausmacht – von der Malerei.

Dunkle Augengläser auf dem Selbstportrait des Künstlers und schließlich seine Biographie zwingen ungewollt eine gewisse Skala an Beurteilungen auf, geben irgendwie das Gesprächsniveau vor ..., aber die Bilder stellen dann alles wieder auf den richtigen Platz.

Energische Technik; Farbe, die zur Faktur wird; reliefartige, plastische Pinselstriche; ein bloßes Berühren der Leinwand mit dem Pinsel, vorsichtig und entschlossen zugleich; all das spricht von einer eigenständigen Begabung, von einer inneren Gesetzmäßigkeit der Denkweise beim Malen.
Solide Kompositionen, die Konstruktion des Bildes, der Aufbau der Form und das Beherrschen eines Raumes, der noch hinter der Bildoberfläche spürbar wird, bezeugen eine gute akademische Schule, ein fundiertes Wissen von der Maltechnik und der Technologie der Malerei.

Die Biographie des Künstlers erzählt von Treffen mit richtigen Lehrenden, vom Studium alter Meister mit Hilfe einer bewährten Methode, die selbst „so alt ist wie die Welt”, nämlich durch Kopieren der großen Werke, gepaart mit sorgfältigem Ergründen und Erlernen ihrer technologischen Methoden, beginnend bei der Grundierung der Leinwand und endend beim Auftragen der Farbschichten.

Durch die Entwicklung einer eigenen, nur ihm notwendigen Technologie – sehr komplex und Außenstehenden schwer verständlich – erzielt der Künstler in seiner Arbeit einen bemerkenswerten Eindruck von Leichtigkeit und Schnelligkeit. Diese Art des Malens würde man bei Anderen als „Studien” oder „Skizzen” bezeichnen. Bei Sergej ist sie jedoch Prinzip, da sie ihm die Möglichkeit gibt, in jeder Arbeit den ursprünglichen, emotionalen Impuls zu bewahren.

Natürlich ist die „Besonderheit” der Situation des Künstlers auch in seinen Kompositionen zu spüren. Man bemerkt eine gewisse übermäßige Literaturhaftigkeit der Sujets, noch zusätzlich unterstrichen durch die Bildtitel, ein unvermeidliches Streben nach einer ungewöhnlichen Symbolik, nach Verallgemeinerungen: „Sie ist gegangen...”,  „Meine Carmen”,  „Fenster”  u.a.

Seine Landschaftsbilder wiederum hinterlassen tiefe Eindrücke aufgrund ihrer fein abgestimmten und vielfältigen Stimmungsnuancen. Das innere Gefühl für die Farbe ist genau das, was normalerweise der Hand und dem Auge des Malers nicht „freien Lauf” läßt; die Einstellung zur Farbe ist wie die Beziehung zu einem Wertgegenstand, der nur in einer erlesenen Umrahmung zur Geltung gebracht wird – all das ist nicht nur eine besondere Begabung, sondern auch das Ergebnis unglaublich schwieriger Arbeit, die der Betrachter jedoch nicht wahrnimmt.

Sind in den Kompositionen Gegenstände enthalten, wie Architektur, eine Blume oder z.B. ein Samowar, so erstaunt die Fähigkeit des Künstlers, sowohl ihren dekorativen Sinn als auch die Empfindung ihrer Oberfläche, ihrer Faktur wiederzugeben. Diese gefühlsmäßige Wahrnehmung ihrer Wesensart, gerade dieses innerliche Durchleben, das in jeder Komposition zu spüren ist, macht die Arbeiten des Malers so tiefgehend und vielschichtig. Ihr unverhohlen dekoratives Aussehen verwandelt sich in ein sehr fein nuanciertes Empfinden und Erleben. „Kirchhof”, „Höhle”, „Stilles Flüßchen”, Städtebilder – sie sind zwar verschieden in der Ausführung und unterschiedlich in ihrem Sinn, vereint werden sie aber durch das Wesentliche: dem Betrachter ist die Möglichkeit des gemeinsamen Erlebens, des MITerlebens gegeben. Und es geht dabei nicht um die literarische Grundlage des Sujets, sondern um die Stimmungen, um die Zustände der Natur oder des städtischen Bereiches, die der Künstler so einfühlsam, genau und wirksam wiedergibt.


Die Malerei von Sergej Popolsin bestätigt wieder die einfache Wahrheit, die jeder schöpferischen Tätigkeit zugrunde liegt: es reicht nicht, nur zu sehen, zu hören und zu wissen – man muss mit der Seele, mit dem Herzen, mit seinem ganzen Wesen fühlen.
Nur dann kann man auch Anderen etwas weitergeben.

Natalija JASULOWITSCH
Kunsthistorikerin
Dozentin an der Russischen Akademie
für Theaterkunst RATI (ehemals GITIS)

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